Wein Wissen: Der Winterschnitt

Jonas Ettlin erklärt: Wie die Reben im Winter geschnitten werden

Wenn nach der Ernte die Reben in die Winterruhe fallen und der Winzer seinen Wein gekeltert hat, ist sein Tagwerk getan – möchte man meinem. Mit dem Schnitt im Winter legen WinzerInnen bereits den Grundstein für die nächste Ernte.

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Die kalte Jahreszeit, in der die Vegetation ruht, und in dem man gerne am warmen Herd im Haus sitzt, ist bei weitem keine arbeitsfreie Zeit für Winzer. Der Winterschnitt ist eine zeitaufwändige Arbeit, bei der der Grundstein für die nächste Ernte, ja sogar für die nächsten Jahrzehnte gelegt wird. Der Winterschnitt ist eine Aufgabe, die volle Konzentration und ein fast meditatives Einfühlen in die Pflanze verlangt. In Zahlen ausgedrückt braucht es im Winter zwischen 200 und 300 Arbeitsstunden pro Hektar, um die Reben zu schneiden.

Beim Winterschnitt wird das Holz vom letzten Jahr zurückgeschnitten und die Knospen resp. die Augen ausgewählt, aus denen im Frühling die neuen Trieben wachsen sollen. Das fordert ein Eindenken in die Pflanze, damit man ihr Wachstum versteht und keine Fehler macht. Dort, wo man den Schnitt setzt, trocknet das Holz auf der eineinhalbfachen Länge des Durchmessers des Triebes ein. Bei zu vielen Schnittstellen, die zu nah am Stamm oder Ast gesetzt werden, kann das den Saftfluss stören oder sogar ganz unterbrechen. Zudem ist jeder Schnitt ein potentielles Einlasstor für Pilzkrankheiten, so dass möglichst wundarm geschnitten wird.

Grundsätzlich unterscheidet man zwei häufige Schnittarten: den langen – und den kurzen Schnitt. Bei dem langen – oder auch Guyot-Schnitt wird eine lange Rute stehen gelassen, die an einen Draht fixiert. Diese Trägerrute wird jedes Jahr neu gewählt, aus deren Augen die Triebe richtiggehend schiessen, weshalb die Triebe auch Schosse genannt werden. Der Guyot-Schnitt ist in nördlicheren Regionen verbreitet, da er einen guten Schutz vor Spätfrost bietet. Die Rebe beginnt zuerst, an ihren Spitzen zu wachsen (Akrotonie) und treibt von dort sukzessive weiter Richtung Stamm aus. Bei einem Frosteinfall verliert man nur die oberen geschossenen Triebe, doch kommen noch welche nach. In hohe Lagen wird gerne eine Frostrute stehengelassen. Die Rute ist länger als die Trägerrute und treibt zuerst aus. Dadurch wird das Austreiben der „eigentlichen“ Triebe hinausgezögert, bis die Frostgefahr Mitte Mai vorüber ist. Der lange Schnitt ist für eine höhere Produktion gut, doch hat das seinen Preis. Er braucht 50 % mehr Aufwand: Das Wählen, Schneiden, Anbinden, und das spätere Reduzieren fordert Tribut.

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Merlot möchte kurz geschnitten werdend und Sorten wie Riesling-Sylvaner und Chasselas bevorzugen den langen Schnitt.

Die Alternative ist der kurze- oder Kordon-Schnitt. Bei diesem bleibt ein permanenter Trägerast stehen, auf dem es verschiedene Zapfen hat, auf denen jeweils zwei Augen auswachsen. Diese sind immer an der gleichen Stelle, was die Arbeit enorm erleichtert. Beim Kordon-Schnitt können sogar Laien helfen, da kaum Fehler gemacht werden können und das Andrahten entfällt. Zudem sind Reben vom kurzen Schnitt besser zu mechanisieren doch für Frühjahrsfrost anfälliger und tendenziell dichter belaubt. Mehr Blätter bedeutete weniger Durchlüftung und damit eine höhere Anfälligkeit für Pilzkrankheiten. Am Ende geht es beim Winterschnitt jedoch um die Reduktion und hierbei hat der Kordon-Schnitt die Nase vorne.

Welcher Schnitt gewählt wird, kann aber noch anderen Einflüssen unterworfen sein. Merlot möchte kurz geschnitten werdend und Sorten wie Riesling-Sylvaner und Chasselas bevorzugen den langen Schnitt. Auch regionale Bestimmungen und Traditionen bestimmen das Bild in den Rebbergen. In Bordeaux und Burgund hat sich seit Jahrhunderten der Kordon-Schnitt bewährt, der auch vorgeschrieben ist. Letztendlich geht es beim Winterschnitt jedoch um die Reduktion und das Produktionsziel des kommenden Jahres. Wenn man hier Fehler macht, hat man das Jahr über entweder zu viel Arbeit oder keine gute Ernte. Die Folgen des Winterschnitts – oder besser der Winterschnitte reichen jedoch weiter, als nur bis zum kommenden Jahr. Eine überlastete Rebe bringt in einem Jahr weniger Qualität aber wenn sie dauerüberlastet ist, beeinträchtigt das ihre Lebensdauer. Wenn wir bedenken, dass Reben für Rotwein nach zirka 20 Jahren gute und erst nach 30-50 Jahren Top-Qualität liefern, wiegt der Verlust von späten Jahren schwer.

Seit über 20 Jahren haben sich die Winzer in der Schweiz der Qualität verschrieben und im Winter wird der Pfad dafür gelegt. Das Ziel ist, eine bestmögliche Ausgewogenheit von Reben und Trauben zu erreichen. Die Reduktion führt zu einer höheren Qualität, da mehr Aromastoffe auf die kleinere Menge Beeren kommen und diese besser ausreifen, weil insgesamt weniger Trauben pro Stock ausreifen müssen. Zudem muss das Verhältnis von Blattoberfläche zu Trauben stimmen und die Weinreben brauchen eine Ordnung, damit die Durchlüftung im Blattwerk gegeben ist. Durch ein schnelles Austrocknen haben es Pilze schwerer, die Pflanze zu befallen. Heutzutage wird das Material, das beim Schnitt entnommen wird, nicht mehr verbrannt, um zu heizen, sondern dem Boden wiederzugeführt.

Der Winterschnitt ist keine ästhetische Angelegenheit wie die Kirschdornhecke, die man mit der elektrischen Heckenschere formen kann. Es geht darum, der Pflanze das Beste zu geben und ihr Wachstum vorzubereiten. Deshalb ist auch der Zeitpunkt von Bedeutung. Nicht zu früh, so dass der Saft und der Zucker, den es für den Frühling braucht, bereits in die Wurzeln zurückziehen konnte und nicht zu spät, damit die Pflanze nicht zu sehr gestresst wird.

Source: Text auf winemaker.com

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