Gold und Punkte: Weinbewertungen und Prämierungen
Jonas Ettlin erklärt: ein Überblick über Weinprämierungen
Weinbewertungen und Weinprämierungen bewegen sich heute zwischen Entscheidungshilfe und Kaufanreiz und von Hilfestellung zu einem eigenständigen Geschäftsmodell. Es ist Zeit, diesem kontroversen Thema auf die Schliche zu kommen.
Konzentrierte Verkostung am Grand Prix des Vins Suisses
In den letzten 20 Jahren sind so viele Weinpreise aus dem Boden geschossen, dass man getrost von einer Inflation sprechen kann. Doch noch vor den Weinpreisen haben wohl Einzelpersonen mit ihren Weinbewertungen am meisten Furore gemacht.
Allen voran hat sich Robert Parker mit seinem System einen Namen und ein internationales Geschäftsmodell erarbeitet. In dem Wein-Magazin The Wine Advocate bewertet Robert Parker Weine mit Hilfe von Punkten nach seinem Geschmack. Er bricht seine subjektiven Eindrücke bei der Verkostung auf ein Punkteschema herunter, das den Wein auf einer Skala bis hundert bewertet. Ein Wein mit 99 Punkten ist besser als einer mit nur 96. Dieses abstrakte Bewertungsschema nach seinem Geschmack ist sicher ein Resultat der Medienkultur und erfüllt Sensationsgelüste - und das tut er äusserst erfolgreich. Heute beschäftigt Wine Advocate weltweit Degustatoren, die Weine international nach seinen Kriterien bewerten.
Solche personenbezogenen Bewertungen sind im angelsächsischen Raum typisch, doch mit Luca Marioni findet sich auch ein europäischer Vertreter. Solche Urteile sind immer auf die Geschmacksrichtung einer Person bezogen und damit zutiefst subjektiv. Das kann beim Weinkauf extrem helfen - wenn man denn einen ähnlichen Weingeschmack hat. Doch ist eine Einzelperson beim Degustieren auch immer äusseren Einflüssen ausgesetzt, die das Weinerlebnis mitbeeinflussen. Nichts desto trotz ist der Geschmack von Robert Parker in seinen Punkten sakrosankt. Neben den grossen Namen wie Parker, Marioni, Robinson und Suckling finden sich im World Wide Web immer mehr „kleine“ Weinkenner, die sich auf Regionen und Gebiete spezialisieren. Doch auch bei Ihnen gilt dasselbe wie für die „grossen“ des Geschäfts. Man muss wissen, welche Geschmacksrichtung man selbst hat und ob die Bewerter auf den gleichen Spuren wandeln, damit ihre Urteile einem helfen können.
In Zeitschriften wie Vinum, Falstaff und WeinWisser findet sich ein anderer Typ von Weinbewertungen. Im Namen der Zeitschrift publiziert das Medium online oder im Print „seine“ Kritik: Dafür degustiert eine Gruppe aus der Redaktion oder ein ad-hoc Panel die Weine. Die Weinbewertung folgt der Psychologie des Artikels oder des Medienkonsums: Die Weine werden oft eher beschrieben als objektiv vergleichbar gemacht und die Leser werden durch die Thematik und Bestätigung abgeholt. Es gibt auch Medien mit aufsehenerregenden Setups: Kann der günstige Underdog mit einem teuren Wein mithalten. Hier geht es weniger darum, einen Überblick oder Orientierung zu geben, sondern darum, Leser zu generieren oder sich für den Test zahlen zu lassen. Dem gegenüber stehen Weinführer wie Gambero Rosso, Guide Michelin oder Guía Peñín die ein Land oder eine Region fast lexikonartig beschreiben und über die Jahre begleiten.
Internationale Jury-Tisch unter der Leitung von Jonas Ettlin am Mondial des Pinots.
Neben solchen eher subjektiven oder beliebigen Weinbewertungen können Weinprämierungen eine gute Orientierung beim Weinkauf bieten. Deren Stunde schlägt von Frühling bis in den Spätherbst. Bei Weinprämierungen handelt es sich in der Regel um einen Wettbewerb, zu dem Weinproduzenten Weine einreichen können. Wie es ein Wettbewerb so an sich hat, treten Weine gegeneinander an und diejenigen, die am besten empfunden respektive bewertet werden, erhalten eine Auszeichnung. Für jede Ausgabe eines solchen Wettbewerbs werden möglichst breite Degustationspanels oder -Gruppen zusammengestellt, die eine Mischung aus Profis und Amateuren, Produzenten und Einkäufern enthalten. Die Gruppe sollte zudem auch den Charakter des Wettbewerbs abdecken: Ein Panel für Schweizer Weine sollte mit Schweizern besetzt sein, doch ein internationaler Weinpreis mit Menschen aus der ganzen Welt.
Jedes Degustationspanel resp. jede -Gruppe umfasst um die fünf Degustatoren und Degustatorinnen, die die Weine nach festen Regeln bewerten. Dabei werden Punkte vergeben deren Durchschnitt die Weinbeurteilung ergibt. Aus der Subjektivität von fünf Personen ergibt sich eine relative Objektivität, wobei alle trainiert und angehalten sind, ihre Vorlieben und ihren Geschmack in den Hintergrund zu rücken und die Weine möglichst objektiv zu beurteilen. In der Schweiz gibt es beispielsweise die grossen Weinprämierungen Grand Prix du Vin Suisse, Mondial des Pinots und Mondial des Merlots von dem Verein Vinea, Expovina - Internationale Weinprämierung Zürich oder La Sélection in Basel.Ein Wein, der am Ende ausgezeichnet wird, muss letztendlich fünf Tester aussergewöhnlich gut überzeugt haben – unabhängig von deren Vorlieben.
Ein Wein, der am Ende ausgezeichnet wird, muss letztendlich fünf Tester aussergewöhnlich gut überzeugt haben – unabhängig von deren Vorlieben.
Gold am Mondial des Pinots!!!
Diese Wettbewerbe nehmen recht grosse Dimensionen an: Dabei werden 2000 - 4000 Weine von 150 bis 200 Degustatoren bewertet. Jeder Wein wird von einer Degustationsgruppe blind verkostet und der Durchschnitt ergibt die Note. Statistisch gesehen ist das eine machbare Variante, um eine gewisse Objektivität zu gewährleisten. Der Preis dafür ist ein grosser organisatorischer und finanzieller Aufwand, der in der Regel zwischen 100 und 200 CHF plus vier Flaschen Wein beträgt. Dieser Beitrag zielt nicht auf einen Gewinn, sondern er ermöglicht eine gewisse Unabhängigkeit, was Auszeichnungen zu einer echten Kaufempfehlung machen kann. Die meisten grossen Wettbewerbe stehen dabei unter der Schirmherrschaft der internationalen Weinvereinigung OIV - der weltweiten Organisation für Wein. Das gibt eine gewisse Zuverlässigkeit, da die OIV Kontrollmechanismen und Kontrollen verlangt und beispielsweise höchstens 30 % der eingereichten Weine ausgezeichnet werden dürfen. Es gibt weltweit zahlreiche offene Weinwettbewerbe, so dass man theoretisch bei so vielen Wettbewerben mitmachen kann, bis der eingereichte Weine eine Auszeichnung erhält. Dazu kommen Weinprämierungen von Branchenverbänden, die auf lokaler und regionaler Ebene eher als reines Marketinginstrument benutzt werden.
Ich arbeite selbst seit über 10 Jahren als Degustator bei Weinprämierungen der OIV. Ein normaler Wettbewerb bedeutet für mich Nächte in Hotels und drei Tage Verköstigungen, die am Morgen von 9 bis 13 Uhr stattfinden. Zu fünft bildet man an einem Tisch eine Degustationsgruppe. Jeder Wein wird blind (die Flasche bleibt verdeckt) eingeschenkt und von jedem Tester für sich degustiert. Dabei werden nach verschiedene Aspekte nach den Kategorien Auge, Nase, Gaumen Gesamteindruck Punkte vergeben. Die Summe ergibt die Gesamtpunktzahl bei einem Höchstwert von 100. Da die Weine immer eine Vorselektion des Winzers durchlaufen haben, scheiden Miserable Ergebnisse eigentlich aus. Die Degustation findet im Geiste des Respekts und der Anerkennung für den Winzer und seiner Arbeit statt. Wenn alle Tester die Punkte in ihr Tablett- wir testen digital – eingetragen haben, prüft der Tischsekretär (der auch Tester ist), ob alle Bewertungen ein stimmiges und homogenes Bild ergeben. Kommt es in der Bewertung zu Unstimmigkeiten, wird dem auf den Grund gegangen und der Wein unter Umständen nochmals zum Degustieren freigegeben. Zuletzt wird mit Wasser der Gaumen „gereinigt“. Für einen Tester bedeutet ein Wettbewerb 3 bis 4 Serien von 15 bis 20 Weinen pro Morgen. Danach hat man sein Tagewerk erreicht: Das ist kein feucht-fröhliches Bewerten, sondern ein technisches und konzentriertes Degustieren und nach einem Vormittag ist man entsprechend erschöpft. Ein Wein, der am Ende ausgezeichnet wird, muss letztendlich fünf Tester aussergewöhnlich gut überzeugt haben – unabhängig von deren Vorlieben.
Doch auch hinter diesen reglementierten Wettbewerben stehen Menschen und dadurch bleibt zwangsläufig auch eine Komponente, die nicht 100 % nachvollziehbar ist. Dennoch bieten Auszeichnungen eine gute Orientierungsmöglichkeit bei der Weinselektion auch wenn der wichtigste Rat der ist, seinen eigenen Geschmack zu verstehen. Die beste Auszeichnung, die ein Wein für Sie haben kann ist die, dass er ihnen schmeckt.