Wein Wissen: Schwefel im Wein
Jonas Ettlin erklärt: Schwefel und Wein: Eine langhaltende Verbindung
Schwefel ist das Thema, das momentan in der Weinwelt viel und teils kontrovers besprochen wird. Seinen schlechten Ruf wird der Helfer der Hexenküche aber nicht gerecht.
Der Schwefel ist aufgrund seiner Eigenschaften schon lange ein nützlicher und hilfreicher Begleiter in der Weinbereitung. Mit Wissen, Qualitätsanspruch und einer generellen Professionalisierung beim Weinmachen geht die Tendenz heute jedoch Richtung geringen Mengen bis zum gänzlichen Verzicht. Wenn wir beim Wein über Schwefel sprechen, dann reden wir über SO2 (Schwefeldioxid). Um eines vorneweg zu nehmen: So unangenehm der Umgang im Weinkeller auch sein mag, Schwefel ist für unseren Körper essentiell und unbedenklich: Haare, Muskeln oder Sehnen brauchen Schwefel in Form von schwefelhaltigen Aminosäuren. Eine erwachsene Person benötigt je nach Gewicht normalerweise zwischen 800 und 3000 Gramm Schwefel pro Tag. Bei einem eventuellen Schwefelmangel kann Wein aber nicht helfen. Der Schwefel, den unser Körper braucht und aufnimmt stammt aus organischen Verbindungen von Pflanzen und Tieren. Der Schwefel, der im Wein Verwendung findet, ist mineralisch und er wird unverdaut ausgeschieden. So ist er auch nicht der Schuldige bei Kopfschmerzen am nächsten Tag: Dehydration und das Hormon Hystamin, das die Hefe bei einer schnellen Vinifizierung produziert, sind hier zuallererst zu nennen.
In jedem Wein ist Schwefel. Auch wenn man kein SO2 zuführt wird, muss der Hinweis „enthält Sulfite“ auf der Flasche stehen, da bis zu 40 mg SO2 pro Liter natürlich in den Trauben enthalten sind – und vermerkt werden muss es ab 10 mg / l. Historisch wurde extrem grosszügig geschwefelt. Rezepte aus dem Mittelalter vermerken für Met mehrere tausend Milligramm Schwefel pro Liter und eine Analyse eines 200-jährigen Straßburger Weins ergab zwischen 2000 und 3000 mg / l – Mengen die heute verboten wären. Es gibt festgelegte Obergrenzen von 150 mg bis 400 mg Schwefel pro Liter, wobei klassischerweise trockenen Weissweinen weniger und echten Süssweinen mehr Schwefel zugeführt wird. Pro Liter ist das höchstens so viel Schwefel, dass die Mengen für den Körper absolut unbedenklich sind. Bei einer sauberen Arbeitsweise nach klassischer Methode werden 100 – 130 mg / l Schwefel bei der Kelterung zugeführt. Dies geschieht in Form von SO2, das sich mit der Flüssigkeit zu Sulfiten – Schwefelsäure-Verbindung – verbinden.
Der Schwefel hat zwei Eigenschaften, weswegen er bei der Kelterung eingesetzt wird. Zum einen schafft er für Bakterien und Hefen ein lebensfeindliches Klima. Dadurch kann der Wein desinfiziert werden, indem der Most von unerwünschten Hefen und Bakterien aus der Kelterung gereinigt wird. Zudem stoppt die Zugabe von Schwefel die Gärung, womit man den Alkohol- resp. Restzuckergehalt steuern kann. Zum anderen nutzt man die reduktiven Eigenschaften des Schwefels zur Konservierung und Stabilisierung des Weins. Sulfite verhindern als Enzymhemmer die Oxidation von Wein und Konservieren ihn dadurch. Oxidierende Enzyme finden im schwefeligen Klima keine Heimat. Neben den Sulfiten verbleibt auch ungelöstes SO2 im Wein, die den Wein stabilisieren. Falls Sauerstoff an den Wein kommt, binden die freien SO2 diesen und verhindern so, dass der Wein schlecht wird. Falls ein Wein einmal nach Schwefel riechen sollte, ist der Wein nicht hinüber, sondern wohl noch recht frisch auf der Flasche. Mit etwas Lagerzeit oder durch Dekantieren, oxidiert der Restschwefel und der „Geruch“ verschwindet. Was man als „schweflig“ wahrnimmt, ist übrigens nicht der Eigengeschmack, sondern eine Irritation unserer Geschmacksnerven - Schwefel ist geschmackslos.
Was man als „schweflig“ wahrnimmt, ist übrigens nicht der Eigengeschmack, sondern eine Irritation unserer Geschmacksnerven - Schwefel ist geschmackslos.
Ein neuer Trend in der Weinbereitung ist die Herstellung ohne die Zugabe von Schwefel. Bei Bier und Champagner funktioniert das Dank der konservierenden Kohlensäure und durch den niedrigen PH-Wert, der ein bakterienfeindliches Milieu bietet, gut. Bei der Weinherstellung ohne Schwefel setzt man auf den chemischen Gegenspieler der Oxidation: die Reduktion. So wie die Oxidation durch und mit Sauerstoff abläuft, so sehr lebt die Reduktion durch den Mangel an diesem. Sie verschliesst Aromen, d. h. sie verflüchtigen (volatilisieren) sich nicht, wodurch der Wein „geschützt“ wird. Vor dem Trinken muss der Wein allerdings dekantieren, damit der Wein oxidiert und die verschlossenen Aromen freigesetzt werden. Die Technik der Reduktion ist noch relativ jung, so dass die Effekte bei der Lagerung nicht zu 100 % vorausgesehen werden können.
Es gibt eine klare Tendenz bei der Vinifizierung, weniger Schwefel zu benutzen: Doch so schlecht der Ruf von Schwefel auch sein mag, so wenig ist er aus Prinzip zu verdammen: Er verursacht keine Kopfschmerzen und wird in Zwiebeln und Knoblauch als antioxidativ und gesund gelobt. Vitamin C hat eine ähnliche Wirkung, und doch wird Schwefel oft verteufelt, wo das Vitamin C hochgelobt wird.